Wie alle Lebewesen werden auch die physiologischen Prozesse des Menschen von circadianen Rhythmen beeinflusst. Die Störung unserer inneren Uhren aufgrund eines zunehmend unausgewogenen Lebensstils steht in direktem Zusammenhang mit der explosionsartigen Zunahme von Typ-2-Diabetes-Fällen. Durch welchen Mechanismus? Ein Team der Universität Genf (UNIGE) und der Universitätskliniken Genf (HUG) in der Schweiz lüftet einen Teil des Schleiers: Diese Störung beeinträchtigt den Fettstoffwechsel in den Zellen, die glukoseregulierende Hormone ausschütten. Sphingolipide und Phospholipide, Fette, die sich auf der Zellmembran befinden, scheinen besonders betroffen zu sein. Diese Veränderung der Lipidprofile führt dann zu einer Versteifung der Membran dieser Zellen. Diese Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlicht wurden, liefern weitere Belege für die Bedeutung des circadianen Rhythmus bei Stoffwechselstörungen.
Diabetes und der circadiane Rhythmus
Der Anteil der Menschen mit Diabetes hat sich in den letzten Jahrzehnten stark erhöht. Laut der International Diabetes Federation (IDF) leben weltweit rund 589 Millionen Erwachsene (im Alter von 20 bis 79 Jahren) mit Diabetes — das entspricht etwa 1 von 9 Erwachsenen. Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper Insulin nicht ausreichend produziert oder nicht richtig nutzt. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel dauerhaft an, was langfristig Blutgefäße und Nerven schädigen kann. Typ-1-Diabetes beruht meist auf einer Autoimmunreaktion, während Typ-2-Diabetes häufig mit Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegungsmangel und genetischer Veranlagung zusammenhängt.

1. Regulation von Insulin und Blutzucker
Viele Stoffwechselprozesse folgen einem Tag-Nacht-Rhythmus. Die Empfindlichkeit des Körpers für Insulin ist morgens am höchsten und nimmt im Tagesverlauf ab. Wird dieser Rhythmus gestört (z. B. durch spätes Essen, Schichtarbeit, Schlafmangel), kann der Körper Insulin schlechter nutzen, wodurch der Blutzucker steigt.
2. Schlafmangel und Störung der Glukosetoleranz
Zu wenig oder unregelmäßiger Schlaf führt zu einer verminderten Glukosetoleranz und Insulinresistenz – zwei Schlüsselmechanismen für Typ-2-Diabetes. Bereits wenige Nächte mit Schlafmangel können messbare Verschlechterungen verursachen.
3. Hormonelle Veränderungen
Hormone wie Cortisol und Melatonin folgen ebenfalls dem circadianen Rhythmus.
- Ein erhöhter Cortisolspiegel zur falschen Tageszeit erhöht den Blutzuckerspiegel.
- Ein niedriger Melatoninspiegel oder Mutationen im Melatoninrezeptor (MTNR1B) sind mit einem erhöhten Diabetesrisiko verbunden.
4. Einfluss von Schichtarbeit
Menschen, die nachts arbeiten oder häufig wechselnde Schichten haben, haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes. Grund: dauerhafte Verschiebung der inneren Uhr, falsches Timing von Mahlzeiten und Schlafdefizite.
5. Essenszeitpunkt
Späte oder sehr unregelmäßige Mahlzeiten stören den circadianen Rhythmus der Bauchspeicheldrüse. Dadurch wird weniger oder unpassend Insulin ausgeschüttet, was langfristig den Stoffwechsel belastet.
Der Einfluss von Lipiden
Lipide sind eine vielfältige Gruppe von natürlich vorkommenden Fetten und fettähnlichen Stoffen. Sie haben gemeinsam, dass sie nicht oder nur schlecht in Wasser löslich, aber gut in fettlöslichen (lipophilen) Lösungsmitteln löslich sind.
Zu den wichtigsten Lipiden gehören:
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- Fette (Triglyceride): Energiespeicher des Körpers.
- Phospholipide: Hauptbestandteile der Zellmembranen.
- Sterole (z. B. Cholesterin): Bausteine für Hormone und Zellmembranen.
- Fettsäuren: Grundbausteine vieler Lipide; können gesättigt oder ungesättigt sein.
Lipide haben eine Vielzahl von zellulären Funktionen. Als einer der Hauptbestandteile der Zellmembranen sind sie an den Signalwegen beteiligt, über die Zellen miteinander und mit ihrer Umgebung kommunizieren. „Wir wissen seit einiger Zeit, dass die Störung der circadianen Uhren in engem Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes steht, bei denen der Körper nicht mehr in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel effektiv zu regulieren“, erklärte Charna Dibner, Professorin in den Abteilungen für Chirurgie und Zellphysiologie und Stoffwechsel sowie im Diabeteszentrum der Medizinischen Fakultät der UNIGE und der HUG, die diese Forschung leitete. „Es ist auch bekannt, dass Lipide eine wichtige Rolle bei Stoffwechselstörungen spielen. Der Einfluss des circadianen Rhythmus auf die Lipidfunktionen war jedoch bislang unbekannt.“
Ein komplexes in vitro-Modell menschlicher molekularer Uhren
Die Langerhans-Inseln sind Ansammlungen verschiedener Arten von endokrinen Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die insbesondere für die Ausschüttung von Insulin und Glukagon verantwortlich sind, den Hormonen, die den Blutzuckerspiegel regulieren. Um zu verstehen, wie Lipide durch circadiane Rhythmen beeinflusst werden, analysierten die Wissenschaftler die Schwankungsprofile von mehr als 1.000 Lipiden in menschlichen Inseln von Menschen mit Typ-2-Diabetes und von gesunden Personen. Das von den Forschern verwendete Versuchsdesign ist besonders komplex. „Wenn wir beispielsweise einen Muskel untersuchen, können wir stündlich eine Biopsie durchführen. Bei inneren Organen wie Herz, Leber oder Bauchspeicheldrüse, wie in diesem Fall, ist das natürlich unmöglich. Wir mussten daher ein Modell für gestörte molekulare Uhren in vitro mit menschlichen Pankreasinseln entwickeln,“ erklärte Volodymyr Petrenko, Forscher im Labor von Charna Dibner und Erstautor dieser Studie.

Eine Versteifung der Membran
Ein Vergleich der Inselzellen von Menschen mit Typ-2-Diabetes und von gesunden Menschen zeigte, dass die Lipidprofile im Laufe des Tages viel stärker schwanken als bisher angenommen. Und nicht nur die Lipidprofile der Inselzellen von Diabetikern und Nicht-Diabetikern unterscheiden sich, sondern auch die Art und Weise, wie sie im Laufe des Tages schwanken. Darüber hinaus beobachteten die Wissenschaftler eine besonders große Veränderung im zeitlichen Profil von Phospholipiden und Sphingolipiden, zwei Klassen von Lipiden, die die Hauptbestandteile der Zellmembran sind. Jüngste Studien haben einen Zusammenhang zwischen diesen Phospho- und Sphingolipiden und dem für Typ-2-Diabetes typischen Verlust der Insulinproduktionskapazität gezeigt.
Die Studie der Forscher geht in die gleiche Richtung: Sie haben beobachtet, dass Inselzellen mit gestörten Uhren eine Anhäufung von Phospho- und Sphingolipiden aufwiesen, die die Membran versteiften. Dies kann die Fähigkeit der Zelle beeinträchtigen, Umweltsignale zu erkennen und somit bei Bedarf Insulin auszuschütten. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler das Phänomen mit gesunden Bauchspeicheldrüsenzellen reproduzieren, indem sie deren circadiane Uhren künstlich störten. Die Studien werden fortgesetzt, um die genaue Ursache und den Mechanismus dieses Phänomens zu verstehen. Diese Arbeit stellt erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen der Störung der circadianen Uhren und den für Diabetiker typischen Lipidveränderungen her.







